die Ziege nehm ich !

Anderthalb Stunden Fahrt habe ich hinter mir - am Rhein entlang bei strahlendem Sonnenschein. Die Strecke bin ich eine Woche zuvor schon einmal gefahren - einen kleinen Umweg habe ich dafür gemacht als ich auf dem Rückweg von dem Besuch bei meiner Schwester war. Ich stehe an der gefühlten fünften Baustellenampel als Sie anruft. Wir haben uns für elf Uhr verabredet zum Kaffee trinken - und ich bin gerade am Ortseingang. Die letzte Baustelle, jetzt muß ich nur noch den Parkplatz finden den sie mir vorgeschlagen hat. Immer weiter fahre ich an den freien Parkplätzen vorbei, halte die Augen offen ob sie nicht schon irgendwo am Straßenrand wartet. Etwas Angst habe ich, daß ich sie nicht gleich wiedererkenne - von dem kleinen Photo, daß ich bisher gesehen habe. Doch da steht schon jemand, der mir sehr sympathisch vorkommt. Ich nehme mir die große Parklücke daneben und lächle sie an. Sie scheint sich noch etwas unsicher zu sein, bis ich ausgestiegen bin..
Ganz unverbindlich zum Kaffee trinken und Geocachen bin ich hergekommen - und so schlendern wir, nachdem ich meine Wanderschuhe angelegt habe, erst einmal gemütlich zum Bäcker ihres Vertrauens. Sie fragt mich, ob ich schon weiß was ich nehme. Erstmal den Kaffee - das ist natürlich klar. Sie bestellt sich noch ein Käsebrötchen und wir suchen uns einen Platz im Freien. Sie lädt mich ein. Den ersten bleibenden Eindruck hinterlasse ich wohl, als ich mit dem Knie gegen den Tisch stoße und unser beider Kaffee über dem halben Tablett verteile. Erst jetzt fällt mir auf, daß ich den Kaffee normalerweise garnicht schwarz trinke - und auch die Rosinenschnecke hat sich scheinbar erst auf dem Weg zum Tisch in ein Rosinenbrötchen verwandelt. Sie hat nicht übertrieben - das war der bisher beste schwarze Kaffee meines Lebens. Es kommt mir so vor, als hätten wir die "Auftau-Phase" einfach übersprungen. Wir haben zwar vorher schon telefoniert - aber Auge in Auge gefällt mir ihre Stimme noch viel besser.
Es geht auf in die Weinberge - eine traumhafte Aussicht erwartet uns. Zwei Geocaches, und zwei Pausen später, sitzen wir mitten in der freien Natur am Rande eines schmalen Pfades des Rheinsteigs. Normalerweise habe ich nach ein paar Stündchen erst einmal genug der neuen Erfahrung, brauche erst einmal etwas Abstand um meine Gedanken und Gefühle zu sortieren. Bei ihr ist es anders. Auch als abends um halb acht schon die Lampen auf der Außenterasse der Pizzeria angehen, könnte ich ihr noch ewig zuhören und sie bewundern. Wir umarmen uns zum Abschied, vielleicht einen kleinen Tick länger, als es mein natürliche Zeitempfinden für unverfängliche Umarmungen zugelassen hätte - und zu diesem Zeitpunkt ist uns beiden klar, daß wir uns wiedersehen werden..
Es hat einfach alles gestimmt an diesem Tag. Obwohl ich erst eine Woche zuvor einen traumhaften Urlaub mit meiner Schwester in Sardinien verbracht habe, überlege ich, ob dies nicht vielleicht schon der schönste Tag des Jahres war..

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